Atomwaffen

Redebeitrag von Arnulf Weiler-Lorentz auf dem Ostermarsch 2018 in Heidelberg

Als mich Renate Wanie fragte, ob ich beim diesjährigen Ostermarsch einen Redebeitrag übernehmen würde, fiel mir spontan der erste Ostermarsch ein, an dem ich teilgenommen habe. Es war 1963.
Die Kuba-Krise, bei der ein Atomkrieg zeitweise unmittelbar bevorzustehen schien, lag gerade ein halbes Jahr zurück. Die USA hatte atomare Mittelstreckenraketen auf einem NATO-Stützpunkt in der Türkei stationiert. Die UdSSR reagierte mit der Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba. Die Abschussbasen waren bereits vorbereitet, die Raketen zur See unterwegs. Durch intensive Geheimdiplomatie zwischen Nikita Chruschtschow und John F. Kennedy konnte der Konflikt beigelegt werden.
Das Konzept der “Nuklearen Abschreckung“ hatte für uns ganz reale Inhalte bekommen. Bereits damals hatten die Atommächte das Waffenarsenal, um sich gegenseitig mehrfach auszulöschen. Es wurde trotzdem weiter atomar aufgerüstet.
Allerdings begann nach der Kuba-Krise eine Phase von Verhandlungen über nukleare Rüstung. 1963 wurde ein Vertrag zum Verbot oberirdischer Atomtests abgeschlossen. 1970 wurde der Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet, der die Weiterverbreitung von Atomwaffen verhindern sollte. Durch den INF-Vertrag (Vertrag über Intermediate-range Nuclear Forces) wurden ab 1988 die Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper, die nach dem NATO-Doppelbeschluss stationiert worden waren, auf beiden Seiten schrittweise abgebaut. Mit den START (Strategic Arms ReductionTreaty) und den New START-Verträgen wurde ab 1991 eine erheblich Verringerung der strategischen Langstreckenwaffen erreicht. Heute befinden sich im Arsenal der nuklearen Mächte noch rund 16 000 Nuklearwaffen, gegenüber 65 000 zu Hochzeiten des Kalten Krieges.
Es ist allerdings alles andere als sicher, dass diese Verträge verlängert werden und weiter im Sinne einer nuklearen Abrüstung wirksam sind. Der New-START- Vertrag läuft bereits in vier Jahren aus. Bisher gibt es aber nicht einmal Gespräche über eine Fortschreibung.

Im Gegenteil: Die beiden großen Atomwaffenstaaten befinden sich in einer Phase intensiver Modernisierung ihrer Waffensysteme. Die Atomwaffen der USA sollen generell erneuert werden. Russland scheint neue Mittelstreckenraketen bereitzustellen. Darüber hinaus drohte Puntin im Präsidentschaftswahlkampf mit neuen „unschlagbaren“ Atomwaffen, die Russland entwickle. Es ist unabdingbar, dass die Bundesregierung alles tut, um die etablierten Regelwerke zur Rüstungskontrolle zwischen den USA und Russland zu sichern und fortzuentwickeln. Es kann nicht darum gehen, den Militäretat zu verdoppel. Es gilt die Friedensbemühungen zu verdoppeln. Ein neuer atomare Rüstungswettlauf würde die Situation erheblich destabilisieren und ungeheure Summen verschlingen, die für andere Aufgaben fehlen, etwa im Bereich der Umwelt- und Klimapolitik und des sozialen Ausgleichs, national und international. Ein solcher neuer Rüstungswettlauf muss unter allen Umständen verhindert werden. Ein zweiter Weg zu „immer weniger Atomwaffen“ liegt in einem völkerrechtlichen Atomwaffenverbot. In den letzten fünf Jahren hat sich der Focus in der Diskussion um die Abschaffung der Atomwaffen verändert. Bisher stand bei der Entwicklung und Implementierung von Nuklearstrategien die nationale Sicherheit im Vordergrund. Seit 2013 hat eine Reihe internationaler Konferenzen stattgefunden, die herausgearbeitet haben, wie dringend nukleare Abrüstung unter dem Gesichtspunkt der humanitären Auswirkungen ist.

Atomwaffen sind mit dem humanitären Völkerrecht nicht vereinbar. Sie richten riesige flächenhafte Zerstörungen an, die überwiegend die Zivilbevölkerung treffen. Die Leiden der Bevölkerung sind unbeschreiblich, sowohl was die sofortige Wirkung, wie was die langfristigen Folgen angeht. Weltweit ist keine Organisation zur wirksamen Krisenintervention fähig. Die Gesundheitsversorgung würde vollständig zusammenbrechen. Als einzige Massenvernichtungswaffen unterliegen die Atomwaffen aber noch keinem expliziten völkerrechtlichen Verbot, wie etwa die biologischen und chemischen Waffen.

Zusammen mit dem in Bündnis ICAN (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons) hat die österreichische Regierung 2014 anlässlich einer Konferenz über die humanitären Auswirkungen von Atomwaffen in Wien einen Vertrag vorgelegt, um diese Lücke zu schließen. ICAN ist ein Zusammenschluss von fast 500 Nicht-Regierungsorganisationen in 100 Ländern und erhielt für seine Arbeit im letzten Jahr den Friedensnobelpreis.

  • Ein Verbotsvertrag wird Atomwaffen weltweit stigmatisieren.  Ein Verbotsvertrag ist auch deshalb notwendig, weil in letzter Zeit substanzielle Fortschritte in der nuklearen Abrüstung ausbleiben.
  • Er wird es erleichtern, weitere Ausgaben für atomare Aufrüstung zu verhindern und die Weiterverbreitung von Atomwaffen aufzuhalten.
  • Er wird einen Abzug der Atomwaffen auf deutschem Boden erleichtern.

Zentrale Elemente des Vertrages

  • ein umfassendes Verbot von Atomwaffen.
  • die Verpflichtung, alle Opfer eines Einsatzes von Atomwaffen sowie von Atomwaffentests zu unterstützen.
  • die Aufforderung an die Staaten im Besitz von Atomwaffen, diese aus der Einsatzbereitschaft zu nehmen und zu zerstören.]

Der Vertrag wurde am 20. September 2017 in der Vollversammlung der Vereinten Nationen vorgelegt. Inzwischen haben ihn 57 Staaten unterzeichnet – darunter Brasilien, Chile, Indonesien, Mexiko, Südafrika, Neuseeland. 7 Staaten haben ihn bisher ratifiziert. Wird er von 50 Staaten ratifiziert, tritt er in Kraft.

Unser Ziel muss es sein, dass Deutschland diesem Vertrag beitritt. Wir sollten eine lokale Kampagne zur Unterstützung der deutschen Sektion von ICAN starten. Es geht mehr denn je darum "Abzurüsten statt Aufzurüsten!“ Und zwar besser heute als morgen!
Heidelberg, 31.3.2018 Arnulf Weiler-Lorentz

 

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10.04.2018